Das Rittertum war zu einer so selbsbewußten Kulturgesinnung erstarkt,
daß es seit der Mitte des 11. Jahrhunderts auch literarisch seine eigene
Ausdrucksformen ausbildete. Es entwickelte sich eine freie Weltfreude, eine
heitere und festliche Lebensbejahung der Sinn für Schönheit und feine
Sitte.Die Liebe wurde mit heiterer Anmut zu einer asthetisch-gesellschaftlichen
Kunst. b5r1rr
Harmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Gottfried von Straßburg sind
die Schöpfer des Ritterromans. Auf denen laßt sich der Begriff
des Klassischens anwenden, wenn er eine Vereinigung von Idee und Gestalt, von
Gehalt und Form und die reine Gestaltung einer in sich geschlossenen, geistig
durchformten Kultur bedeutet.
In Hartmanns „Erec“ erscheint die Frau als Gattin. Sie begleitet
ihren Mann auf eine abendteuerliche Fahrt. Enite erweist sich in höchster
Gattenliebe als selbstlos und treu, bis endlich sich das entzweite Paar versöhnt.
„Gregorius“ stellt die Frau als sündige Mutter dar, die ihren
eigenen Sohn heiratet. Die Tragödie der Erbsünde wird bis in das Graßlichste
gesteigert.
In seinem anderen Werk, dem „Armen Heinrich“, schildert er die Frau
in der Gestalt eines schlichten bauerlichen Madchen.Es ist das einzige
reine, zum letzten Opfer bereitete Wesen, das den Ritter noch retten kann. In
der Todesbereitschaft des Madchens leben zarter Eros und glaubige
Jenseithoffnung, Treue zu dem adligen Herrn und sanfte Schwarmerei.
In dem „Iwein“ laßt er die eben verwitwete Schloßherrin
und Iwein langsam zueinander finden, indem sie wehrlos der Macht eines unwiderstehlichen
Zaubers verfallen.Die Gattenliebe wird von Hartmann als etwas Heiliges, tief
Innerliches betrachtet.
Wolfram von Eschenbach betrachtete sein Werk nicht, wie Hartmann, als ein Zeichen
der Gelehrsamkeit, sondern als ein zur Rotterschaft gehörendes Tun, das
aus der Erfahrung der gelebten Wirklichkeit spricht. Mit „Parzival“
schuf er den ersten von innen heraus erfaßten Entwicklungsroman der Weltliteratur.Die
Frau, Herzeloyde, ist hier als Mutter dargestellt. Es ist eine einsame Frau,
die ihren Sohn angstlich vor dem Rittertum hütet. Sie hatte schon
ihren Mann im Dienst des Rittertums verloren und versucht mit allen Mittel zu
verhindern, das alles sich mit ihrem Sohn wiederholt.
Erwahnenswert ist dann auch seine Sigune von den sogenannten „Titurel-Fragmenten“,
eine jungfrauliche Witwe und fromme Einsiedlerin, die dem Verlobten, der
im Minnedienst für sie das Leben verlor, in einer mystischen Ehegemeinschaft
die Treue halt. Sie erwartet sehnsüchtig den beide für immer
vereinenden Tod.
Neben der Dichtung von der Liebe von Sigune und Schionatulander, schrieb er
als zweites großes Werk den „Wilehalm“, wo die Frau wieder
als treue Gattin erscheint. Es ist die rede von einer Sarazenin, die sich aus
Liebe für ihren Mann taufen ließ.Sie steht ihm weiter sogar in seelischer
Qual an der Seite, als er gegen die Heiden kampft.
Die Apotheose des Frauenkultus und der wahren leidenschaftlichen Liebe finden
wir in dem Roman „Tristan und Isolde“ von Gottfried von Strassburg
meisterhaft geschaffen. Er verkörpert ein anderes Lebensideal als Wolfram,
ein asthetisch-sentimentales Ideal, in dem die traumerische und zarte,
aber ehrliche und vorbehaltlose Liebe eine erzieherische Wirkung auf dem Mensch
hat.Elegant, virtuos, empfindsam und vergeistigt, gestaltete Gottfried von Strassburg
der überschwenglichen, traumhaften Liebe ein asthetisches Humanitatsideal,
das sich ganz nach innen wandte und von innen heraus formte.
In seinem unvollendeten Roman „Tristan und Isolde“ erscheint die
Gestalt einer Frau, die sich leidenschaftlich verliebt.Sie folgt Tristan als
Braut seines Königs Marke,obwohl sie sich in ihn verliebt hatte. Auf der
Fahrt kosten sie aus der Liebestrank, die sie in heißer Leidenschaft zueinander
führt. Die Liebe ist starker als die Sippentreue.
Gottfried feiert die absolute und ideale Liebe als eine leib-seelische Einswerdung.
Der Roman erscheint als die reine Seelennahrung der Auserwahlten, die das
Verhangnis der wahren Liebe zu tragen bereit sind.Die Frau besitzt hier
die alles opfernde Leidenschaft und Treue, obwohl es sich nicht von ihrem Gatten
handelt. Gottfried erkennt keine Schuld des Paares an. Er bejaht ihr Liebesschicksal
als eine höchste irdische Gewalt und er rechtfertigt höfisch und sittlich
von ihr aus ihren Betrug.
Es ist der erste große Beispiel eines von der Seele aus erlebten Roman,
wo das außere Bild des Rittertums zurücktritt.
Im Parzival und im Tristan, den beiden großen Romanen des Mittelalters,
begegnen sich im höfischen Gewand mit außerster Spannung zwei
verschiedene Welten: bei Wolfram ein grüblerisches, eigenwilliges Gottverlangen,
bei Gottfried eine von Schönheit und Eros trunkene Weltlichkeit.
Die Frau wird in den Werken der Zeit verschieden gestaltet. Es ist die treue
Gattin, die erbsündige Mutter, das zum letzten Opfer bereitete schlichte
Madchen, die ihren Sohn angstlich beschützende Mutter oder die
leidenschaftliche zu alles bereitete, aber ihrem Geliebten treue Frau.Sehr wichtig
ist auch, daß die Frau als eine entscheidende Figur in der Entwicklung
der Tatsachen betrachtet wird.Dadurch sind diese Werke ein Zeichen auf dem Weg
zur Erkennung der Frauenwürde.